Neujahr und Identität
Ein Vorwort von Zhu und Li
Ausgabe 2
Illustration von Christina Zhu, Bella Wagner, Maike Siu-Wan Storf, Feng Yitong, Jiayu Ni, Tao Sui
Liebe Leser*innen
新年快乐!Happy Lunar New Year!
Bevor wir mit der zweiten Ausgabe loslegen, sagen wir DANKE für euren unglaublichen Support! Seit der ersten Ausgabe von ZhongDe zum Thema „Familie“ haben wir uns in verschiedenen Dimensionen entwickelt: als Team sind wir enger zusammengewachsen, unsere Leserschaft hat sich vergrößert, und es sind tolle neue Mitglieder dazugekommen. Alle Mitwirkenden findet ihr auf unserer Team-Seite.
In dieser zweiten Ausgabe des ZhongDe Online Magazins wagen wir uns an das große und komplexe Thema Identität. Durch Gedichte, Essays, Interviews, weitere literarische Ausdrucksformen und Illustrationen zeigen wir euch einen Einblick auf das, was wir mit dem Wort Identität verbinden. Wir widmen uns passend zum 01.02.2022 auch einem Teilbereich der chinesisch-deutschen Kultur: Neujahr/春节. Das Neujahrsfest wird in verschiedenen Bereichen Asiens gefeiert und im Rahmen von ZhongDe möchten wir chinesisch-deutsche Perspektiven auf das Fest zeigen. 春节 ist ein Fest zwischen digitalen roten Umschlägen und leckeren Jiaozi auf dem Tisch. Manche werden das Fest mit ihren Familien und Freund*innen verbringen, andere wiederum sind aufgrund der andauernden Pandemie nur über Glasfaser und Herzen mit ihren Liebsten verbunden. An all jene denken wir besonders.
Das Jahr des Wassertigers steckt laut der der chinesischen Astrologie voller Flexibilität, Offenheit und auch großer Veränderungen und Herausforderungen. Wir sind gespannt, was das neue Jahr bereithält und freuen uns auf viele weitere Geschichten aus chinesisch-deutscher Sicht. Das Thema “chinesisch-deutsche Identität” hat viele Facetten und steht in dieser Ausgabe im Fokus. Sie wird uns auch in zukünftigen Ausgaben begleiten, denn sie ist mit vielen anderen Themen eng verwoben und nicht starr, sondern dynamisch und wandelbar.
Mit viel Liebe
Euer ZhongDe Team
Vignetten
Meine Mutter behauptet wir wären jedes Jahr zu Chunjie nach China zurückgefahren. Warum kann ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern?
Über das Feiern
Es ist eine Praxis von Dominanzgesellschaften, marginalisierten Gruppen den Raum und die Möglichkeiten der eigenen Rituale zu nehmen, zu verbieten oder zu überschreiben. Diesem Prozess war meine Familie über mehrere Generationen ausgesetzt und an diesem Ende stehe ich mit maximaler kultureller Verwirrung.
unentschieden
mit einem großen Pinsel
schreibe ich Zeichen auf den Weg
der Spurensuche
verwinkelt wie im alten 虹口
临平路到了
gibt es ein Ankommen?
außen Ingwer, innen Kartoffel?
Ein winziger Blick in den Garten meiner Identität. Von verwelkten Blüten, vergifteter Erde, tiefergehenden Wurzeln und aufgehenden Knospen. 花 (huā) ist das erste chinesische Wort, das ich in meiner Kindheit gelernt habe. Seit dem habe ich von Zeit zu Zeit gesät, umgetopft, gedüngt und beobachtet.
Malen nach Zahlen
2, 3, 4,
ein kleines, zartes, unschuldiges Wesen,
geboren in eine Migrantenfamilie
reich an Geschichte und Kultur,
was für ein Potenzial schlummert wohl in ihr?
Schnipsel
an meiner Wand eine Tuschemalerei
in meinem Schrank Porzellan
im Gewürzregal laoganma
in der Vase Kalligraphiepinsel
darf ich das?
bin ich denn chinesisch genug?
Neujahr: Ein Fest in Zeiten von Überfluss
Heutzutage muss man nicht auf Neujahr warten, um im Überfluss zu leben. Im Supermarkt sind die Schränke gefüllt, Kleidung kann man jederzeit kaufen, und Lebensmittel wie Obst und Fleisch sind längst keine Luxusgüter mehr.
Jugendbuchrezension: Im Jahr des Affen
Lest es, verschenkt es, redet über dieses Buch, das so viele Themen der deutsch-chinesischen bzw. deutsch-asiatischen Lebensrealitäten aufs Papier bringt.
Interview mit Que Du Luu
“Bei „Im Jahr des Affen“ war bereits klar, dass die Figur einen chinesischen Migrationshintergrund haben wird, da die Anregung von meinem ehemaligen Agenten kam, eine Geschichte aus der Sicht einer Migrantin zu schreiben. Lange Zeit hatte ich mich gesträubt, mich diesem Thema zu widmen, weil ich das Gefühl hatte, dass man es sich leicht gemacht hat und mich darauf reduzieren wollte.”
Das Mädchen mit der Laterne
Erinnerungen aus der Kindheit meiner Mutter an das Chinesische Neujahr, und ihre Gedanken zu dem Konzept der “Chinesischen Frau”